Donnerstag, 5. Juni 2014

Demotivation, Zwänge und die Angst, es doch nicht zu schaffen

So. Bald ist es so weit. Bald kann ich von mir behaupten, dass ich dieses Schulsystem nun endlich ein für alle mal hinter mir lassen kann, nie wieder auch nur eine Zehe in die Anstalt, die sich jetzt fast acht volle Jahre meinen Arbeitsplatz nannte, setzen muss und dass ich in die Hauptstadt ziehen werde - von vorne beginnen, neu anfangen, mich selbst (er)finden und tausende Erfahrungen sammeln.

Bald eben.

Aber bald ist so ein relativer Ausdruck - wobei, was ist das nicht? Seit wir die Relativitätstheorie im Physikunterricht (auf leider nicht sonderlich kompente Weise) durchgenommen haben, staune ich immer wieder über unsere subjektive Wahrnehmung von...allem.
Mit bald kann ich genauso morgen oder in einem Monat meinen, sind die nächsten drei Minuten vergangen, ist es auch schon wieder "bald". Vor einem Jahr habe ich dieses kleine Wort auch schon besonders gerne verwendet. Zeit vergeht so schnell, mit einem Wimpernschlag ist schon wieder eine neue Rechnung losgegangen und alles hat sich verändert.


Ich kann es wirklich kaum erwarten.

Und trotz meines wahnsinnigen Bedürfnisses, endlich fertig sein zu wollen, endlich nach der Maturafeier aus meiner dann ehemaligen Schule treten zu können und zu wissen, dass ich den nächsten Schritt Richtung Zukunft hinter mich gebracht habe, möchte ich gleichzeitig, dass die Zeit stehen bleibt. Dass die Tage nicht so schnell vergehen. Dass es mir möglich gemacht ist, mich intensiver vorzubereiten.

Langsam schleicht sich eine riesengroße Angst in mir ein. Ich habe das Gefühl, dass ich die mündlichen Prüfungen sowieso nicht schaffen werde und weiß einfach nicht, damit umzugehen - die Ergebnisse der schriftlichen Arbeiten haben wir auch noch nicht bekommen. Meine Tage sind gefüllt voll von Demotivation und Müdigkeit. Momentan kommt auch noch Kopfweh und eine nervig verstopfte Nase hinzu.
In mir drinnen ist ein richtiger Lernzwang ausgebrochen, den ich aber nur schwer nachgehen kann, weil mir einfach der Antrieb fehlt. Es sollte doch eigentlich Motivation genug sein, bald das Land verlassen zu können, mit unglaublich tollen, lieben, intelligenten und wundervollen Menschen zusammen ziehen zu dürfen und neu zu starten. Auf das freue ich mich auch schon irrsinnig. Wirklich. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass sich in mir eine kleine Blockade aufgebaut hat. Ich möchte einfach nicht mehr. Ich habe jetzt schon tausende Stunden von meiner persönlichen Zeit in Lernen für irgendwelche Prüfungen investiert, für Prüfungen, die ich positiv geschafft habe, die mir im Endeffekt dann aber doch nichts genutzt haben. Was bringt die Matura eigentlich? Ich habe jetzt so viele Jahre damit zugebracht, beinahe jeden Wochentag früh aufzustehen und hab mich in ein Umfeld begeben, das weder mich noch das von mir sonderlich wertgeschätzt wurde. Ich musste mich intensiv mit Dingen auseinandersetzen, die für mich von nur wenig Interesse waren und von denen ich den Zukunftsbezug heute noch immer nicht verstanden habe. Aber das habe ich gemacht. Ich habe eine abgeschlossene achte Klasse Gymnasium, wozu dann noch Matura? Langsam habe ich das Gefühl, dass das ganze Konzept Reifeprüfung nur darauf hinauslaufen soll, dass man sich als Schüler*in die letzten Haare vom Kopf reißt. Matura ist Nervensache. Darauf ausgelegt, dass man unter einer enormen Stresssituation Höchstleistungen vollbringt.


Und wenn meine Familie mich versucht aufzubauen, in dem sie mir immer wieder versichern, dass ich das alles doch sowieso schaffe, kann ich ihnen nicht so recht glauben. Okay, es mag wohl stimmen, dass ich bis jetzt eine sehr gute Schülerin gewesen bin. Trotzdem macht es mir so viel Angst.

Auf die Gefahr hinaus, dass das nun nicht sonderlich nachvollziehbar ist, aber ich habe das Gefühl, so einem Druck ausgesetzt zu sein. Es müssen lauter Einser in meinem Maturazeugnis stehen. Und eigentlich bin ich mir dessen sehr wohl bewusst, dass Noten weder die Persönlichkeit noch die Intelligenz oder irgendetwas wiederspiegeln, noch irgendetwas über mein Können aussagen und überhaupt eigentlich egal sein sollten. Ich weiß das und trotzdem bin ich mehr als unzufrieden mit mir, weil es jetzt schon klar ist, dass zumindest eine Zwei in meinem Zeugnis vorhanden sein wird. Das macht mich nicht nur fertig, das erhöht den Druck auch noch um einiges. Ich muss eine Präsentation machen für die Fachbereichsarbeit, die eben von dem diesjährigen Vorsitzenden als bloß gut eingestuft worden ist, und weiß einfach nicht, wie ich das auf eine sehr gute Weise machen kann.
Ich muss vier Jahre Biologie-Stoff wissen und über gun violence in the US bis zu the Northern Ireland conflict in Englisch reden können und außerdem alle kunstgeschichtlichen Details vom antiken Ägypten bis heute parat haben. Wie soll das denn bitte gehen?


Meine Schwester sagt mir immer, sie halte meinen Perfektionismus so schlecht aus. Da muss ich ihr zustimmen.
Es ist für mich so schwierig, mich mit nicht hundertprozentig tollen Leistungen von mir selbst zufrieden zu geben - so gern wäre ich perfekt, so gern würde ich Dinge besonders gut können.
Und das kommt dann auch wieder kurz vor der Reifeprüfung zum Vorschein.

Eigentlich ist es doch egal, ob ich lauter Sehr Guts oder lauter Genügend in der Tabelle stehen habe. Solange ich positiv abschneide, ist es mir erlaubt, an der Universität zu studieren, die ich gerne besuchen möchte. Ich brauche keine Auszeichnung oder wieder irgendeinen Schrott, den man bei uns an der Schule alljährlich für ein "besonders gutes" Zeugnis ausgehändigt bekommt.
Ich brauche das nicht.
Aber ich will es.

Gestern war es dann so weit, dass ich nicht mehr wusste, was ich tun sollte. Ich habe dann kurzerhand beschlossen, alle technischen Geräte - ausgenommen meines Radios - ausgeschaltet zu lassen und nicht zu beachten. Ich wollte mich ein wenig auf mich konzentrieren, war eine ganz kleine Runde laufen und habe ein bisschen Biologie wiederholt. Das hat sehr gut getan, aber mein schlechtes Gewissen und diese schreckliche Ungewissheit sind immer noch nicht verschwunden...


Manchmal kommt mir der Gedanke, dass ich doch bloß diese schulische Intelligenz innehabe. Ich bin nirgends so gut wie in der Schule. Traurig eigentlich. Aber wenn ich dann sogar da versagt oder in den mittelmäßigen Bereich rutsche, habe ich gar nichts mehr...


Bald ist das alles vorbei.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen