Mittwoch, 27. August 2014

Mädchen*, macht euch die Welt, wie sie euch gefällt!

Perspektiven, Veränderungen, Freiräume, Denkanstöße, Kontroverse und jede Menge Spaß an der Freude - das ist bezeichnend für das pink noise GirlsRockCamp. Und ein Haufen Feminismus und Mut. Und Schlagzeug. Außerdem wird großer Wert darauf gelegt, mit vorherrschenden Geschlechterrollen zu spielen, sie zu betrachten, benennen, zerpflücken und schlussendlich dann eigene Vorstellungen zu bauen, aus eben diesen gesprengten Realitäten, die uns tagtäglich über den Weg laufen und uns doch so freundlich zuwinken.
Aber jetzt hat das diesjährige Camp ein Ende genommen. Um genau zu sein, wurde die Ziellinie mit Samstagabend überschritten - und mit zumindest dreiundzwanzig Metern überlaufen. Am 23. fand nämlich der alljährliche Abschlussabend statt. Ohne Übertreibungen ist das eindeutig das schönste Konzert des Jahres. Der letzten vier Jahren jedes Mal aufs Neue.

Ich kann gar nicht glauben, dass mein erstes Jahr als Teilnehmerin des GirlsRockCamps schon 2011 war. Und vor allem, dass das vierte Camp schon vorüber ist, bei dem ich wieder in eine andere Perspektive schlüpfen durfte. Seit letztem Jahr wurde mir nämlich die Ehre zugetraut, den Schlagzeugworkshop mit zu leiten.

Aber zuerst möchte ich noch ein paar Worte über den Aufbau dieser Woche verlieren:
Ich persönlich meine ja, dass das wichtigste Element des Camps der geschützte Raum ist. Es wird ein Freiraum geschaffen, wie es ihn sonst nur sehr selten gibt. Außerdem war es das erste Mal für mich, dass mir dieser Freiraum so bewusst gewesen ist und ich ihn so unglaublich gut auskosten und -nutzen durfte. Das alles wird dadurch geschaffen, dass - ganz einfach - nur Frauen* mitarbeiten. Tontechnikerin*, Köchin*, Instrumentenworkshopleiterin*, Organisatorin*. Und auch nur Mädchen* sowie Frauen* teilnehmen dürfen. Das gibt einer einmal die Möglichkeit, sich ganz ohne Rücksicht auf die doch alltäglichen patriarchalen Strukturen auszuprobieren. Musik ist eine Männerdomäne. Das kann leider kein Mensch leugnen und deswegen ist es umso wichtiger, Mädchen* und Frauen* in ihrem musikalischen Tun zu bestärken. Der Kontext wird queerfeministisch gehalten und auf allen möglichen Ebenen auf politische Korrektheit geachtet - sei es bei der vollkommenen veganen Ernährung während dieser Tage oder dass die Camp-Shirts unter fairen Bedingungen und mit Berücksichtigung der Umwelt produziert werden, um bloß zwei Beispiele zu nennen.

Ja, es geht um Musik. Und es geht um die Frage der Geschlechter in eben dieser. Die Rolle der Frau, die Rolle von jeder Person, die sich nicht als cis-Mann empfindet. Und ich kann eines aus Erfahrung sagen, drück den Mädels* ein Instrument in die Hand und lass sie machen - nur das beste und ehrlichste wird rauskommen.
Also, die Teilnehmenden haben zu allererst einmal die Möglichkeit, diverse Instrumentenworkshops zu besuchen. Und, wie schon erwähnt, darf ich seit letztem Jahr den Schlagzeugkurs co-leiten. In diesen werden sie mit dem Camp-Lied konfrontiert. Rebel Girl von Bikini Kill. Le Tigre. Gossip. Und zuletzt Girls Like Me von Nikki&The Corvettes. Das hat den Grund, dass die Mädchen* später, nachdem sie sich zu Bands zusammengeschlossen haben, schon einmal einen gewissen Grundstock und Anreiz haben. Auch ist das Erlernen eines Liedes insofern von großer Bedeutung, dass dadurch die Angst vor Musikstücken und der Komplexität von denselben weggenommen werden kann.
Wow. Dieses Jahr war ich wieder vollkommen geplättet. Drei Workshops waren angesetzt und ein jeder war anders. Ein jeder war perfekt. Und die Mädchen* hatten es drauf, alterfalter, wie M.immer zu sagen pflegt, die konnten in kürzester Zeit nicht nur das Lied nachspielen sondern auch noch viel mehr - improvisieren, Takt halten, Fill-ins einbauen... Das war schon unheimlich schön.
Aber es gibt nicht nur Kurse um eine gewisse Ahnung von Instrumenten zu bekommen, sondern auch welche über sozialkritische Themen, über Körper und Bühne, übers Texte schreiben, Tanzworkshops und vieles mehr einfach. Das Angebot ist überwältigend, aber auf die positivste Art und Weise nur vorstellbar. Auch Gustav hat ein paar Stunden mit Programm gefüllt.
Und natürlich gibt es die Bands. Insgesamt sollen vier Bands zusammengestellt werden, das dürfen die Teilnehmerinnen* selbst übernehmen - natürlich aber nicht ohne gezieltes Rahmenprogramm, Inputs und Hilfe. Mit diesen Konstellationen werden dann jeden noch verbleibenden Tag zusammen mit sogenannten Bandcoaches, die erfahrene und wundervolle Musikerinnen* sind, wie Aurora und Petra von petra und der wolf oder Birgit von first fatal kiss und zahlreichen anderen Projekten, in Proberäumen mit allem drum und dran geprobt, probiert, Neues entdeckt und gelacht. Außerdem gibt es abends meistens noch die Möglichkeit unter dem Programmpunkt "offener Proberaum" ohne Zuschauerinnen* auf die Instrumente zu hauen.

Ja, und am Ende folgt das Abschlusskonzert. Das, wie jedes Jahr eigentlich, einfach nur phänomenal war. Die vier Bands waren nicht nur unglaublich toll und versiert, sondern auch so sympathisch und wundervoll. Mir fehlen richtig die Worte. Ich war auch so nervös und so enthusiastisch und glücklich an diesem Abend, das ist schon ein wunderbarer Nebeneffekt vom GirlsRockCamp, auch, wenn ich nach meinen zwei Jahren als Teilnehmerin nur mehr von außen auf das alles blicken darf. Achja, und ich war so hin und weg, dass so viele der Mädels*, die das erste Mal bei Veronika und mir im Schlagzeugworkshop Drumsticks in den Händen gehalten hatten, sich auch auf der Bühne den Schlagzeughocker geschnappt haben und im Takt auf die Trommeln schlugen.
Das kann alles geschehen, wenn man sie einfach machen lässt, Mädchen* ein wenig anschubst und bestärkt in dem, was sie tun.

Das GirlsRockCamp ist mir ans Herz gewachsen. Und ich freue mich so sehr, kleine Teile dazu beitragen zu können, in der Küche auszuhelfen und zuzuschauen, wie Steffi die himmlischsten veganen Speisen zubereitet, schon einen Tag vor Start nach Hollabrunn zu fahren und die Drumsets aufzubauen, mir das Lied hundertmal am Tag anhören, damit ich alle Schlagzeuglines ohne Überlegen erklären kann und den Abschlussabend zur Gänze zu genießen.
Ich möchte auch nochmal ein riesengroßes und eigentlich noch größeres Lob an die teilnehmenden Mädchen* aussprechen. Nach der wunderbaren Moderation warf mich die erste Band schon einmal um - die spielen da erst eine Woche zusammen und schaffen es, so viele Lieder so gut klingen zu lassen. Und es wurde immer besser und alle waren anders und alle Bands hatten ihren eigene Stil und ihre eigene Herangehensweise. Charme. Humor. Können. Grrrlspower.
Durch das Camp bin ich auch zur Veganerin geworden. Die ganzen Diskussionen und Gespräche, die in diesem unhierarchischen Raum geführt worden sind und werden, haben mich geprägt und zum Denken veranlasst. Alle sitzen beim Essen zusammen, egal ob Bandcoach, Teilnehmerin* oder Mitglied des Orga-Teams und die Unterhaltungen sind so divers, dass es einfach nur eine Freude ist, von all den Erfahrungen, Überlegungen und Überzeugungen aller Beteiligten zu hören. Auch ist es, so blöd das jetzt vielleicht auch klingen mag, eine wahnsinnig tolle Art und Weise, sich zu vernetzen. Meine Band Schapka, die am 31. um 18:00 Uhr übrigens am Volksstimmefest auftritt (!!!!), ist nicht nur dadurch entstanden, wir haben auch die Möglichkeit bekommen, in Proberäume unsere neuen Lieder zu schaffen und auch eine Kassette rauszubringen.

Es ist schrecklich schade, dass es so wenige Projekte gibt, die in diesem Format organisiert und realisiert werden. Es ist doch so wichtig, junge Frauen* zu fördern und ihnen zu zeigen, dass sie es auch können und ganz schön umwerfend auf einem Bass herumzupfen können.
Ja, weil Girls rocken und Punk viel zu selten zum Thema gemacht wird bei jungen Frauen*. Weil am acoustic lakeside festival insgesamt bloß vier Frauen auf der Bühne gestanden sind - wobei es dann doch nur drei waren, Lucy Rose musste absagen. Weil Freiräume erkämpft, geschaffen und gefördert werden müssen. Weil ich nicht ganz so wäre, ohne diese paar Tage, die ich GRC-Luft schnuppern durfte und die liebsten Freundinnen missen müsste. Weil Musik Lebensqualität ist und diese frei für alle zugänglich gemacht werden sollte.

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